
Familienunterstützende Physiotherapie für ältere Personen
Für ältere Menschen kann die Rückkehr nach Hause nach einem Krankenhausaufenthalt ein schwieriger Moment sein. Dies insbesondere, wenn sie zusätzlich mit verschiedenen Begleiterkrankungen konfrontiert sind. Es wurden zu diesem Zweck bereits verschiedene Programme entwickelt, um den älteren Personen nach einer Hospitalisation wieder auf die Beine zu helfen. An solchen kurzfristigen Interventionen sind stets verschiedene Fachleute aus Sozialdienst, Pflege, Ergo- und Physiotherapie und anderen Bereichen beteiligt.
Die Physiotherapie, als Teil verwandter Gesundheitstherapien, kann die körperlichen Funktionen verbessern und älteren Menschen die Rückkehr zu den täglichen Aktivitäten erleichtern. Der Umfang der physiotherapeutischen Interventionen ist jedoch oft sehr gering. Dies gilt leider ebenso für Übergangsprogramme, die speziell für diese Zielgruppe durchgeführt werden.
Die familienunterstützende Therapie wurde als eine Möglichkeit zur Verbesserung von Interventionen für ältere Menschen untersucht, wobei bisher aber noch kein RCT zu deren Bewertung durchgeführt wurde. Der Zweck der vorliegenden Studie war daher die Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Ergänzung der Physiotherapie durch eine familienunterstützende Therapie für ältere Menschen, die vom Krankenhaus nach Hause zurückehren. Das Gesamtziel war dabei, eine weiterentwickelte und gut aufgebaute Studie vorzubereiten und zu sammeln.
Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Ergänzung der Physiotherapie durch die familienunterstützende Therapie sicher und machbar zu sein scheint, sowie die klinischen Ergebnisse verbessert.
Insgesamt 35 ältere Erwachsene, die kürzlich ins Krankenhaus eingeliefert wurden, sowie 40 Familienmitglieder wurden in die vorliegende randomisierte kontrollierte Studie aufgenommen und nach dem Zufallsprinzip einer der folgenden Gruppen zugeordnet:
- Kontrollgruppe: nur die übliche Physiotherapie wird angeboten
- Interventionsgruppe: familienunterstützende Therapie wird zusätzlich zur üblichen physiotherapeutischen Intervention durchgeführt
Zu den Teilnehmenden gehörten die Betroffenen und deren Familienmitglieder (nicht beschränkt auf eine pro Person), die für das Übergangspflegeprogramm in Australien in Frage kamen und dort aufgenommen wurden. Dieses Programm bietet älteren Menschen, die wieder nach Hause kommen, bis zu zwölf Wochen lang Unterstützung in Form von Pflege, persönlicher Betreuung und verwandten Gesundheitsdiensten. Die Autorenschaft führte strenge Ein- und Ausschlusskriterien auf, die vor der Aufnahme erfüllt werden müssen.
Die teilnehmenden Personen der Kontrollgruppe erhielten die üblichen physiotherapeutischen Behandlungen, d.h. Mobilitätsschulungen, Übungen und Pflegetraining durch eine Fachperson der Physiotherapie während durchschnittlich zwei Sitzungen pro Woche mit unterschiedlicher Dauer.
Die Versuchsgruppe erhielt zusätzlich zur üblichen Physiotherapie eine familienunterstützende Therapie, die auf den Zielen jeder einzelnen, teilnehmenden Person aufbaute. Die Familienmitglieder wurden nachdrücklich ermutigt, mindestens vier Sitzungen pro Woche durchzuführen, deren Dauer der jeweiligen Person entsprach. Sie arbeiteten hauptsächlich an einem Transfer-Training, am Gehen, sowie an sicheren und einfachen körperlichen Übungen. Sie wurden wöchentlich von einer qualifizierten und erfahrenen Fachperson der Physiotherapie begleitet, um eine angemessene Intervention durchführen und die Verbesserungen überwachen zu können.
Die wichtigsten Endpunktmessungen waren die sturzbezogene Selbstwirksamkeit durch die "Short Falls Efficacy Scale" (eine valide und verlässliche Skala zur Selbstbewertung der Besorgnis über Stürze bei täglichen Aktivitäten), sowie die Anzahl der Stürze auf der Grundlage eines Sturztagebuchs.
Weitere Ergebnisse wurden ebenfalls bewertet, wie z.B.: körperliche Aktivität, gesundheits- und leistungsbezogene Lebensqualität, Auswirkungen auf Familienmitglieder, Aktivitätseinschränkung, sowie Entlassungs- und Compliance-Merkmale. Alle Messungen wurden vor und nach der Intervention (nach fünf Wochen) durchgeführt.
Es wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf die sturzbezogene Selbstwirksamkeit, Lebensqualität oder Belastung der Pflegeperson festgestellt. Die Versuchsgruppe zeigte jedoch im Vergleich zur Kontrollgruppe ein reduziertes Sturzrisiko, eine geringere Sturzrate, eine signifikante Verringerung der Aktivitätseinschränkung und eine bessere körperliche Aktivität (höhere Anzahl täglicher Schritte), ohne eine Belastung der Pflegeperson.
Die Autorenschaft kam zum Schluss, dass eine familienunterstützende Therapie zur Ergänzung der Physiotherapie für ältere Menschen, die vom Krankenhaus zurückkommen, sicher sein könnte, um mehrere klinische Ergebnisse zu verbessern. Da sie eine machbare Intervention zu sein scheint, wird deshalb zur weiteren Untersuchung eine stärkere, aufwendigere RCT empfohlen.
Expert opinion
Die hervorgehobenen positiven Auswirkungen in der Studie scheinen für eine familiengestützte Ergänzung der üblichen Physiotherapie bei älteren Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt zu sprechen. Es wird jedoch daran erinnert, dass es sich hierbei nur um vorübergehende Ergebnisse handelt. Diese sind in der Tat ermutigend, müssen jedoch durch eine grössere und aussagekräftigere Studie bestätigt werden. Dabei sollte insbesondere der langfristige Nutzen der familienunterstützenden Therapie, sowie grössere Hintergründe und Stichproben untersucht werden, so dass die Ergebnisse verallgemeinerbarer sind.
Ein interessanter Punkt ist jedoch, dass die Teilnehmenden und ihre Familien sich gut an das Versuchsprotokoll hielten. Die familienunterstützenden Interventionen führten am Ende zu 15 zusätzlichen Therapiesitzungen (entspricht etwa 226 Minuten) im Vergleich zur üblichen Physiotherapie. Dies stellt ein wesentlich höherer Therapieumfang dar.
Obschon zunächst einige Bedenken hinsichtlich der Belastung des Pflegepersonals und der möglichen Risiken einer (nicht überwachten) Physiotherapie durch Familienmitglieder bestanden, wurden keine unerwünschten Wirkungen festgestellt. Zudem äusserten Familienmitglieder keine zusätzlichen Belastungen bei der Hilfestellung ihrer Mitmenschen. Dies unterstützt die Idee, dass diese Intervention sicher und einfach durchzuführen sein könnte, was auch mit früheren Erkenntnissen über familienunterstützende Therapien nach Schlaganfällen übereinstimmt.
Abschliessend könnte die Zunahme der körperlichen Aktivität, die durch die höhere Anzahl der unternommenen Schritte hervorgehoben wird, auch einen positiven Effekt auf das Sturzrisiko haben. Durch die gesteigerte Aktivität könnte gegen die sitzende Lebensweise angekämpft werden, die wahrscheinlich zu vermehrten Stürzen führt und höhere Risiken mit sich bringt, als diejenigen, die mit der familienunterstützenden Therapie verbundenen sind.
> Von: Lawler et al., Clin Rehabil 13 (2019) 1625-1635. Alle Rechte vorbehalten: The Author(s). Hier klicken für die Pubmed-Zusammenfassung. Übersetzung von Stephanie Gass.
