
Pilatesanwendungen und ältere Frauen
Stürze gehören zu den häufigsten geriatrischen Syndromen. Man findet sie häufig in Assoziation mit Ko-Morbiditäten, sie können zu diversen Behinderungen, zu einer erhöhten Morbidität und wichtigen ökonomischen und medizinischen Kosten bzgl. Management führen.
Vielen Studien identifizieren veränderliche und nicht-veränderliche Sturzrisikofaktoren: Vertrauen in Balancefähigkeit, Sturzangst sowie Haltungskontrolle sind assoziiert mit Balancebeschwerden und Fallneigung. Diese Faktoren können die körperlichen und täglichen Aktivitäten und Funktionen drastisch begrenzen, dadurch das Sturzrisiko erhöhen, welches widerum zu weniger Vertrauen und höherer Mortalität führt.
Es besteht Evidenz, dass körperliche Übungsprogramme sehr vorteilhaft bei einer Sturzprävention sind, da sie die veränderlichen Risikofaktoren positiv beeinflussen können. Diverse Übungsprogramme wurden untersucht, inklusive der Pilatesmethode, die als Technik zur Schulung von Körper-und-Geist auf 6 Schlüsselprinzipien basiert: sich selbst in den Mittelpunkt stellen, Konzentration, Präzision, Kontrolle, Atmung und Fluss.
Man bewertete diese Methode als passend und effektiv bei der Sturzprävention für ältere Erwachsene, allerdings gab es bislang kaum Untersuchungen. Deshalb überprüfte diese Studie die Effekte von Pilatesübungen auf psychologische Sturzrisiken (Vertrauen in Gleichgewicht sowie Sturzangst) und Körperkontrolle bei Frauen über 60 Jahre.
Die Autoren erkannten wirksame und positive Effekte in dem Pilatestrainingsprogramm hinsichtlich der drei Risikofaktoren bei älteren Frauen.
Insgesamt wurden 110 Frauen in diese randomisierte, kontrollierte Studie integriert (69,15 ± 8.94 Jahre). Sie wurden zufällig in eine der folgenden Gruppen eingeteilt, nachdem man Aufnahme- und Ausschlußkriterien angewandt hat:
- Kontrollgruppe: keine Anwendungen
- Pilatesgruppe: von den Teilnehmern wurde ein Übungsprogramm nach der Pilatesmethode durchgeführt
Die Anwendungen bestanden aus einem 12-Wochenprogramm mit 2x wöchentlichem Training á 60 Minuten (24 Anwendungen insgesamt). Jede Übungseinheit bestand aus 3 Phasen (warm-up, Hauptprogramm und cool-down) und wurde von qualifizierten Personal überwacht.
In der Studie selbst werden die Übungen sehr detailliert beschrieben, beginnend mit einer Pilateseingewöhnungsphase (Erklärung der Prinzipien, korrekte Übungsdurchführung, korrekte Atmung) und stufenweiser Progresssion (Kräftigung und Dehnungen mit/ohne Geräte). Intensität und Schwierigkeitsgrad wurden jeweils am Patientenvermögen angepasst.
Die Untersuchungen der Abschlußdaten, um die Effekte der Pilatesmethode zu studieren, waren das Balancevertrauen (untersucht durch die Activities-specific Balance Confidence scale), Sturzangst (Fall Efficacy Scale-International of FES-I) und Körperkontrolle (mittels einer Statikanalyse auf einer Druckmeßplatte). Die Messungen wurden zu Beginn (da gab es keinerlei signifikante Unterschiede) und nach Beendigung des Gesamtprogramms gemacht.
Die Teilnahmehäufigkeit am Pilatesprogramm war hoch (alle Teilnehmer besuchten im Schnitt 91.6 % der Übungseinheiten und mehr).
Die Autoren fanden eine signifikante Verbesserung bei Balancevertrauen, Sturzrangst und Körperkontrolle nach dem Pilatesprogramm; es gab keine Verletzungen oder nachteilige Effekte.
Pilatesübungen können deswegen als sehr wertvoll sowohl in der Sturzprävention als auch in der Limitierung des Teufelskreis bezüglich Stürze bewertet werden.
Expert opinion
Die vorhandene Studie ist besonders interessant bezüglich klinscher Folgerungen, da sie eine Evidenz von Pilatesübungen auf drei große Sturzrisikofaktoren aufzeigt. Diese Ergebnisse erscheinen übereinstimmend mit vorhergehenden Studien.
Deswegen sollte man als Konsequenz diese Anwendungen als Tool für alle Kliniker ansehen, da sie das Sturzrisiko reduziert und die körperlichen, psychologischen und ökonomischen Effekte von Stürzen reduziert.
Die Autoren fanden zwei wesentliche psychologische Risikofaktoren für Stürze, sowohl das Vertrauen in Gleichgewicht als auch die Sturzangst. Diese sollten unbedingt mitbeachtet werden, wenn man über Sturzprävention nachdenkt, da diese Studie eine starke Evidenz hat und die wenigen und begrenzten Studien unterstützt, die es bislang gab.
Ein anderer interessanter Punkt ist die sehr gute Teilnahmehäufigkeit am Pilatesprogramm (keine der Teilnehmerinnen versäumte mehr als drei aufeinander folgende Übungseinheiten), was sehr bedeutsam ist, da Teilnahmehäufigkeit entscheidend ist bei allen Übungsprogrammen.
Die Studienqualität selber ist sehr hoch (Pedro-Score 8/10). Die Autoren erstellten eine randomisierte Blindstudie mit klaren Aufnahme- und Ausschlußkriterien, mit einem representativem Beispiel und hoher Teilnahmehäufigkeit. Zusätzlich gab es noch mehr Details zum Programm und den durchgeführten Übungen (im Anhang sehr detailliert beschrieben).
Interessant wären weitere Untersuchungen, inwieweit die positiven Effekte des Pilatesprogramms nach dem 12-Wochenprogramm erhalten bleiben und, ob die Ergebnisse grundsätzlich auf ältere Erwachsene erweitert werden können.
> Von: Aibar-Almazán et al., Eur J Sport Sci 19 (2019) 1386-1394. Alle Rechte vorbehalten: European College of Sports Science. Hier klicken für die Pubmed-Zusammenfassung. Übersetzung von Manfred Bloch.
