
Der therapeutische Effekt von Berührung
- Hands-on Techniken mehr als nur biomechanische Handlungen
- Schmerzreduktion durch Berührung
- Manuelle Techniken als Teil der Kommunikation
Manuelle Hands-On Techniken sind mehr als nur biomechanische Handlungen, um Störungen in Muskeln und Gelenken zu reduzieren: Berührung ist eine Art von Kommunikation, mit der ein Therapeut Schmerzen reduzieren, Emotionen übertragen und die Körperwahrnehmung von Patienten erwecken kann. Die Autoren argumentieren für eine Neubewertung von Hands-On Techniken und therapeutischer Wertstellung von Berührungen.
Umfassendere Perspektive
Die Physiotherapie wendet sich immer mehr Richtung Hands-Off Interventionen zu, in denen der Physiotherapeut Anweisungen und Übungen vorgibt und die Patienten aktiv an ihrer Erholung arbeiten. Dies bedeutet aber nicht, dass manuelle Hands-On Interventionen- ein Kernpunkt der muskuloskelettalen Physiotherapie- veraltet sind. Im Gegenteil, als eine spezifische Form von körperlichem Kontakt stellen die Autoren die Hands-On Techniken in eine umfassendere Perspektive. Sie stehen für Schmerzlinderung, emotionale und körperwahrnehmende Dimensionen der Berührung.
Schmerzlinderung
Berührung kann Schmerzen lindern: die Autoren bezeichnen dies als analgetische Berührung. Wenn Physiotherapeuten Patienten berühren, können sie damit die Schmerzsignale zum Gehirn verändern und dadurch die Schmerzwahrnehmung beeinflussen.
Emotionale Berührung
Körperkontakt hat eine emotionale Dimension und ist eine Form von non-verbaler Kommunikation. Die Autoren bezeichnen es als emotionale Berührung: der Therapeut kann durch die Berührung Emotionen übermitteln und der Kontakt kann positive Emotionen im Patienten auslösen. Dadurch fühlt sich der Patient sicher, kann mehr entspannen und erfährt weniger Stress. Diese Effekte sind Konsequenzen der hormonellen Veränderungen, der Produktion von körpereigenen Opioiden und Oxytocine.
Körperwahrnehmung
Als dritte Dimension beschreiben die Autoren, dass die Patienten durch die Berührungen eine bessere Selbstwahrnehmung bekommen, insbesondere in der Körperregion, die sie selbst nicht sehen können. Ein Physiotherapeut kann durch die Platzierung der Hand helfen, den Schmerz besser zu lokalisieren. Der Therapeut gibt taktiles Feedback, welches ein besseres, mentales Bild des Körpers vermittelt.
Berührung als Kommunikation
Diese breite Perspekte der menschlichen Berührung bedeutet, dass manuelle Techniken mehr als nur ein Werkzeug sind, um den Körper des Patienten zu behandeln: sie offerieren eine Kommunikation mit (dem Gehirn des) Patienten, gleich wie Wörter es tun. Ein Therapeut kann die Bedeutung der verbalen Kommunikation durch Variationen des Tons und der Kraft der Stimme sowie die Sprachgeschwindigkeit verändern. Die Nachricht, die der Therapeut mit seinen Händen übermittelt, kann auch durch Variationen des Handgriffs und der Intention, mit der der Patient berührt wird, beeinflusst werden. Die Autoren beschreiben dies kurz in einem aussagekräftigen Statement: "es ist nicht therapeutisch, wenn es nicht mitfühlend ist."
Edukation
Die breite Perspekte hat auch Konsequenzen für die Physiotherapelehrer: sie müssen ihre Studenten über die therapeutischen Möglichkeiten, die durch Berührung erzielt werden, informieren. Studenten sollten nicht nur die Ausführung der manuellen Techniken erlernen, sondern auch die emotionalen Aspekten des Körperkontakts.
Gutachten
Schlussendlich appellieren die Autoren an die professionellen physiotherapeutischen Organisationen damit sie ihre therapeutischen Werte der Hands-On Techniken weiter geben. Jemanden zu berühren ist eine therapeutische Handlung, welches auf spezifische biomechanische, neurophysiologische und psychologische Prinzipien beruht. Der enge körperliche Kontakt zwischen Physiotherapeut und Patient sollte laut Autoren den speziell trainierten und registrierten Experten vorbehalten werden.
Expert opinion by John Bos, MSc.
In diesem Artikel setzen sich die Autoren für die Bedeutung der therapeutischen Berührung ein. Der Artikel argumentiert für die Wichtigkeit der Hands-On Behandlungen und formuliert eine kritische (ziemlich plausible) Gegenüberstellung der Hands-Off Annäherung der Physiotherapie, in der der Körperkontakt sich zu einer Handlung, die "nicht gemacht" wird wendete. Diese Gegenstimme ist eine Erleichterung für die tägliche physiotherapeutische Praxis, in der es noch immer Unstimmigkeiten bzgl. Hands-On und Hands-Off Behandlungen gibt. Es ist eine Bestätigung der Intuition vieler Physiotherapeuten über die Wertigkeit von Körperkontakt bei Patienten, die unter Schmerzen leiden. Als Autor dieser Expertenmeinung möchte ich jedem Kollegen dringend raten diesen Artikel zu lesen, da es die postulierte Botschaft über die Individualität der alltäglichen Physiotherapie direkt berührt.
Zusätzlich ist das Lesen des Artikels auch nützlich, da es einen kraftvollen theoretisch-biologischen Rahmen über die verschiedenen Effekte von körperlicher Berührung beinhaltet.
Fast jeder Physiotherapeut wird zustimmen, dass eine diagnostische Entdeckung von körperlichen Aspekten ein wichtiger Bestandteil der Physiotherapie ist. Bei Patienten, die unter Schmerzen leiden, wird dies durch den Körperkontakt und Lokalisation des Schmerzpunktes erreicht. Dieser Kontakt trägt zum vertrauten Verhältnis zwischen Therapeut und Patient bei. Allgemein erhöht sich der therapeutische Erfolg, insbesondere wenn die Erwartungen des Patienten über die Diagnose übertroffen werden. Wenn der Patient das Gegenteil erwartet, kann ein Nichtberühren des schmerzhaften Punktes zur Entäuschung und Misstrauen gegenüber des Therapeutens führen oder sogar zu Ernüchterung und Ärger führen.
Von der Therapeutenperspektive ist die körperliche Berührung von enormer Bedeutung. Berührungen und Bewegungsübungen sind zwei non-verbale Hauptbestandteile der Physiotherapie. Taktile Berührungen bewirkt etwas im Menschen: erstens bestätigt es das Gefühl des Menschseins und, dass der Körper eine ernsthaft Untersuchung braucht- der schmerzhafte Körper braucht Aufmerksamkeit. Zweitens gibt es einem durch bedeutungsvolle Berührungen das Gefühl, dass der andere für einen da ist (Physiotherapeut) und mit einem auskommt. Dies reduziert den Leidensdruck. Drittens verändert es die Körperwahrnehmung, die Schmerzwahrnehmung und kreiiert körperliche Zufriedenheit.
Berührung ist ein entscheidener Grundstein der physiotherapeutischen Verbindung (es stärkt die Beziehung) aber es ist zugleich auch ein kraftvoller therapeutischer Effekt, welcher durch verschiedene Fokusse erzielt werden kann. Der Physiotherapeut lässt durch die Berührung "seine Hände sprechen". Therapeutische Berührungen bestehen aus zwei Komponenten: ein biophysische Komponente und eine (vielfach) wahrnehmende Komponente. Bei Patienten, die unter Schmerzen leiden, kann der Therapeut therapeutisch kognitive, affektive und biologische Aspekte der Schmerzwahrnehmung durch Berührung leiten.
> Von: Geri, Musculoskelet Sci Pract 44 (2019) 102044. Alle Rechte vorbehalten: Elsevier Ltd. Hier klicken für die Pubmed-Zusammenfassung. Übersetzung von Anneke Klostermann.
