
Red Flags für schwerwiegende Wirbelsäulenerkrankungen
Obwohl in den klinischen Leitlinien weiterhin Red Flags genutzt werden, um schwerwiegende Wirbelsäulenerkrankungen zu identifizieren, fehlt es leider an Evidenz für diese üblicherweise gelisteten Red Flags. Noch dazu liefern Red Flags selten verlässliche Informationen. Die Kombination von vorhandenen Red Flags könnten bessere Information liefern, aber es benötigt noch weitere Studien, um dies zu bestätigen.
Um den Verdacht auf eine schwerwiegende Wirbelsäulenerkrankungen in jedem Fall akkurat zu bestimmen, sollten Kliniker einerseits die Evidenz für Red Flags heranziehen und andererseits die individuellen Gesundheitsfaktoren des Patienten.
Zu diesem Schluss kam ein Expertengremium der International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists (IFOMPT), welche ein Modell zu diesem Thema ausgearbeitet hat.
Obwohl Erkrankungen, die mit Red Flags für Wirbelsäulenerkrankungen im Zusammenhang stehen, sehr selten sind, könnten sie zu schweren Konsequenzen und Beeinträchtigung der Lebensqualität führen, welches wiederum das frühe Erkennen und Management entscheidend beeinflusst.
Es werden jedoch um die 163 Zeichen und Symptome als Red Flags bezeichnet, welches die klinische Anwendbarkeit schwierig macht.
Dieses Modell wird für Kliniker mit jeglichen Erfahrungsstufen entwickelt, um eine klare Linie für den klinischen Entscheidungsprozess zu geben, um schwere Wirbelsäulenerkrankungen erfolgreich zu identifizieren. Der Leitfaden basiert auf drei Schritten:
1: Bestimme die Dringlichkeit
2. Entscheide über die klinischen Massnahmen
3. Erwäge einen Notfall bzw. dringende Überweisung
Der Leitfaden kann folgendermassen beschrieben werden:
Als erstes erkenne die Dringlichkeit durch das Zusammenspiel von Red Flags (Prävalenz, Qualität der unterstützenden Evidenz, Red Flags einzeln vorhanden oder in Kombination) und das Profil des Patienten (Alter, Geschlecht, Fortschreiten der Symptome, Komorbiditäten).
Die klinische Massnahme (Start der Behandlung, Behandlung mit beobachtender Wartezeit, oder Überweisung in den Notfall) kann dann über die Dringlichkeit bestimmt werden.
Zum Schluss sollte der Kliniker für den nächsten Schritt bereit sein, bezogen auf jede Entscheidungsart. Ist es entweder das Beobachten des Fortschritts wie erwartet und die Entlassung des Patienten, das Bereitstellen eines Sicherheitsnetz (eine Liste von Zeichen und Symptomen, die weiter beobachtet werden sollten) oder das Aufklären einer Überweisung, wenn sich die Situation verschlechtern sollte.
Expert opinion
Diese Erklärung der International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists ist ein sehr gründliches Dokument und ein ausgezeichnetes Referenzmaterial für alle Physiotherapeuten, die sich mit Wirbelsäulenerkrankungen befassen. Aufgrund der Gründlichkeit des Dokuments wird man ihm durch eine kurze Zusammenfassung in diesem Rahmen nicht gerecht. Daher empfehle ich, es vollständig zu lesen.
Die Relevanz dieser Arbeit bezieht sich auf mehrere Faktoren. Erstens gibt es trotz der Häufigkeit, mit der Red Flags diskutiert werden und der Bedeutung die ihnen angemessen werden, einen überraschenden Mangel an Evidenz für ihren Wert in der Erkennung schwerwiegender Wirbelsäulenerkrankungen, insbesondere wenn die Red Flags alleine auftreten.
Zweitens ist es angesichts der potenziellen Konsequenzen des Fehlens dieser Bedingungen sowohl auf die Gesundheit und Lebensqualität des Patienten als auch auf die Karriere des Klinikers von grösster Bedeutung, dass sie frühzeitig erkannt werden und, dass die Ärzte eine solide Grundlage für die klinische Entscheidungsfindung haben. Schließlich kann dieser Leitfaden als Weckruf für den Bedarf an verlässlicher Evidenz für die Wertung der Red Flags dienen.
> Von: Finucane et al., J Orthop Sport Phys Ther 50 (2020) 350-372. Alle Rechte vorbehalten: Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy. Hier klicken für die Pubmed-Zusammenfassung. Übersetzung von Agnes Gschliesser.
